Donnerstag, 6. Dezember 2012

Weltuntergangsfeeling


In Buenos Aires gibt es drei verschiedene Arten von Wetterlagen: Sahara-Wüsten-Sonnen-Hitze, Iguazu-Wasserfall-artiger Regen oder Tage an denen beides nacheinander oder auch gleichzeitig auftritt. Aber Tage, an denen nur ein bisschen die Sonne scheint gibt es nicht. Wenn sie nicht scheint, ist es schwül und wenn sie scheint ist es erdrückend heiß. Auch gibt es keine Tage, an denen es nur ein bisschen regnet. Wenn es regnet fallen gleich Sturzbäche vom Himmel.
Und so einen Tag hatte ich heute.

Schon seit dem Morgen regnet es fast ununterbrochen. Mal mehr, mal weniger, meistens aber mehr.
Im Bus ist es verdammt heiß, aber man kann die Fenster nicht öffnen, weil man sonst geduscht wird. Dabei donnert es hin und wieder. Mit dem Donner verhält es sich ungefähr wie mit dem Regen. Entweder es gibt keinen Donner oder er ist dermaßen laut, dass man fast vom Stuhl hüpft. Außerdem ist es nicht wie in Deutschland ein Schlag und gut und dass dann auch nur ein paar Nächte im Hochsommer. Hier donnert es mindestens einmal die Woche. Und der Donner rollt an und wieder weg. Wie ein Rennauto. Er ist leise wie ein knurrender Hund, wird lauter, haut dich dann in seiner ohrenbetäubenden Lautstärke vom ebenerwähnten Stuhl und verzieht sich dann wieder, aber schimpft dabei immer noch weiter, wie ein unzufriedener Lehrer.
Pft…und ich hatte in meiner Kindheit oben im Dachgeschoss Angst wenn es gedonnert hat. Was hätte ich denn dann hier gemacht? Sterben? Naja, zurück zum Weltuntergang.
Im Projekt bekommt man dann nach einer Eingewöhnungszeit nicht mehr viel vom Regen mit.
Klar, es tropft durch die Decke und man muss aufpassen, nicht gegen einen der vielen Eimer und Töpfe zu stoßen, die das schlimmste Wasser auffangen.
Klar, es ist im Projekt dunkler, weil draußen fast alles Licht von den Wolken verschluckt wird wie Jona vom Wal.
Aber an all das kann man sich gewöhnen.
Heute allerdings sitze ich gerade mit Magali und Micaela beim Phase 10 spielen und plötzlich springen die beiden auf und laufen in den Hauptraum. Ich drehe mich um, um zu sehen, was denn nun um Gottes Willen wieder passiert ist und traue meinen Augen kaum. Der große Raum ist überflutet und sechs Kinder springen vergnügt darin herum und versuchen irgendwie das Wasser wieder nach draußen zu bekommen. Das ist natürlich vergebens.
Plötzlich denke ich nur noch „Nein, lasst das!“, doch zu spät. Die Kinder haben in der Hoffnung dass das Wasser so schneller abfließt die rechteckigen Deckel aus dem Boden geholt, unter denen einige Abwasser laufen. Aus den Abflüssen, die natürlich auch schon voll sind, kommt braunes Wasser in Zimmer und auf den weißen Fliesen sieht man nur allzu deutlich Dreckklumpen, tote Insekten und andere Dinge, die man nicht bestimmen kann und es wahrscheinlich auch gar nicht will.
Alle Kinder wurden an einen nur von oben nässenden Ort verbannt und ich hatte die Aufgabe, Saft und Kekse aus der Küche zu holen, wofür ich meine Schuhe ausgezogen habe und mit einigem Ekel durch die Brühe geschliddert bin.
Aus der Dusche kam, wie aus allen anderen Hähnen auch kein Wasser, also bin ich so wieder in meine Schuhe, die ich auch hätte anlassen können.
Auf dem Heimweg muss ich durch große Pfützen waten und mein Versuch meine Schuhe sauber zu halten ist nun endgültig missglückt.
Doch so viel Wasser schon in der Villa ohne Gullis und nur mit Abwassergräben, durch die nichts laufen kann steht, das ist nichts gegen die Orte mit befestigten Straßen. Auf der Heimfahrt zeigt sich, wie schnell ein so gigantisches System einer Stadt zusammenbrechen kann.
Ganze Straßenzüge sind einfach nicht zu sehen, es muss unglaublich viel Wasser in die Häuser fließen. Ich fühle mich wie in einer der Nachrichten mit z.B. Tom Buhro oder einem anderen Reporter der Tagesschau. Auf der durch die Stadt laufenden Autobahn steht es schlicht und einfach. Als wir die Unterführung der Autobahn erreichen verschwindet das Bild der Tagesschau und ich fühle mich mehr und mehr wie in einem Naturkatastrophenfilm. Die Unterführung, die hier einfach nur eine Kuhle unter dem Damm der Autobahn darstellt, ist voller Wasser. Wie tief es ist, zeigt sich erst, als wir es endlich schaffen auf der verstopften Straße durch dieses Wasserloch zu fahren. Zwei Autos haben es nicht durch die Wassermassen geschafft und stehen, vollbeladen mit Menschen, bis über die Räder im Wasser. Auch ein Bus und ein Tanklaster stehen davor und dahinter und scheinen offensichtlich kaputt zu sein. Der durch den einzigen Schmalen „beschwimmbaren“ Streifen entstehende Stau trägt natürlich nicht zur Entspannung der Lage bei. Motorradfahrer fahren über die - von auf die im Stau stehenden Busse wartenden Menschen verstopften - Bürgersteige und erhöhen so die Unfallrate mit Sicherheit. Und sollte es zu einem Unfall kommen, hätten die Beteiligten keine Chance auf schnelle Hilfe, da die Krankenwagen eben auch im Stau stecken, wie ich gesehen habe.
Obwohl es hier bestimmt hin und wieder mal so stark regnet, ist diese Stadt erstaunlich schlecht auf diese Situation vorbereitet. Alles bricht zusammen. Die Züge fahren auch seltener und die U-Bahnen laufen ebenso schnell voll mit Wasser, wie die Unterführungen. Also wollen alle Menschen mit dem Bus fahren. Aber das bewältigen selbst die 326 Buslinien (ich habe gezählt), von denen es sogar jeweils noch a,b und c gibt, nicht.
Soweit, so gut, an anderen Tagen läuft alles wie am Schnürchen.

 

Jetzt noch einige Eindrücke, die ich gesammelt habe und mir bei jedem einzelnen in den Hintern getreten habe, warum ich meine Kamera nicht dabei gehabt habe.

 
Es sind tatsächlich einige Unfälle passiert, Autos stehen falschherum auf der Straße. Wie um mein Chaosbild noch zu unterstreichen, sehe ich einen abgesoffenen Krankenwagen, der schon lange nicht mehr blinkt, mitten in einer Straße stehen, aber bis knapp zur Hälfte unter Wasser.

Hunde die durch die Straßen schwimmen.

Wasser, was weit über den Türschwellen der Häuser steht und deren Besitzer sich mit den Nachbarn im Wasser schwatzend unterhalten als wären ihre Hosen nicht bis zu den Knien unter Wasser.

Ein Kanu mit 4 offensichtlich quietschvergnügten Geschwistern drin, die auf der Parallelstraße schwimmen auf der vor kurzem noch Autos gefahren sind.

Ein Fahrradfahrer, bei dessen Transportmittel nur noch Lenker und Sattel aus dem Wasser schauen.

Man erkennt die Straßen nur noch daran, dass neben/in den Flüssen Häuser stehen.

Die Häuser der Villa, die am großen (mittlerweile reißenden) Fluss liegt, sind komischerweise nicht überflutet. Entweder, das Wasser hat sie noch nicht erreicht oder (was ich für wahrscheinlicher halte) es ist schon wieder abgeflossen.

Ach, schau mal, da schwimmt eine ganze Tanne den Fluss runter.

Sonntag, 18. November 2012

Mal wieder was neues

Ja, ich lebe noch und es geht mir noch gut. Ich schreibe so selten, weil ich mittlerweile echt im Alltag angekommen bin. Deswegen gibt es nicht viele Neuigkeiten. Ich versuche dennoch, ab und zu mal was zu schreiben. Ihr sollt ja nicht denken, ich sei tot.

Im Projekt ist eignetlich alles beim Alten. Ich verbessere mein Spanisch mit jedem Tag und kann mich immer besser mit den Mitarbeitern unterhalten. Schön ist, dass wir momentan viele Ausflüge mit dem Projekt machen. Wir waren in der Fabrik von Kraft Foods und konnten die ganzen Kekse sehen, wie sie auf Laufbändern durch die Hallen gefahren sind. Ein anderes Mal waren wir in Suarez bei der Schule Concordia, die unser Projekt zum Tag des Kindes besucht hat.
Wenn wir gerade nicht auf einem Ausflug sind, helfe ich im Projekt wo ich kann oder Lust habe. Dort sind einige Tage nicht so spannend aber an anderen hatte ich schon super schöne Erlebnisse mit den Kindern.

An einem Tag war Marcelina nicht da, die normalerweise die Kleinen betreut. Sebastian war trotzdem gekommen, weil er irgendwie nicht daheim bleiben konnte. Also haben Maibrit und ich ihn bespaßt. Wir haben ihn gekitzelt, Karussell artig an den Händen im Kreis geschleudert, Hoppehoppereiter auf dem Rücken und Schubkarre gespielt.
Seba war sonst einer der nervigen Kinder, die nicht hören und viel Scheiße bauen. Aber wir haben das Gefühl, dass er uns seit dem Tag irgendwie mag.
An einem anderen Tag kam Nora später und ich habe mit Luana während gebacken wurde rumgealbert. Luana ist die Kleinste, zumindest glaube ich das. Dann hat sie ihre Hände gewaschen und dann das Handtrockenpapier zu einer Kugel geformt und mit zu geworfen. Ich habe gefangen und zurückgeworfen. Da habe ich gemerkt, dass sie kaum fangen kann. Sie hat ihre Hände vor ihr Gesicht gehalten und meistens auch noch die Augen geschlossen. Ich habe ihr gesagt, dass sie die Hände mal so halten solle, als würde sie klatschen, also die Handinnenflächen zueinander. Und dass sie die Augen auf lassen soll. Und dann hats geklappt. Wir haben ganz lange in der Küche gestanden und uns diesen Ball zugeworfen. Und sie hat sich so tierisch gefreut! Das war richtig schön. Dann hat sie sich zu mir gekuschelt, weil sie müde war und wir haben darauf gewartet, dass der Ofen fertig ist. Seitdem kommt sie immer wenn sie mich sieht auf mich zu und ruft Franziiii!

Weiterhin lerne ich im Projekt jeden Tag neue Wörter. Ich weiß nicht, was etwas heißt, frage nach, und kann es mir dann meistens super gut merken. Das ist einfach das angewandte. Seitdem ich Matías, dem einen Betreuer, das erzählt habe, fragt er mich manchmal ab, oder fragt mich, was für Wörter ich heute gelernt habe.

Mit dem Radio-Taller bin ich an einem Freitag zu Alfredo gefahren und Eduardo und Joaquin, zwei Chicos aus dem Projekt sind mitgekommen. Wir haben ein paar Sachen im Radio gesagt. Faszinierend war es, als Joaquin sein Handy rausgeholt hat und Radio angemacht hat und wir uns so beim sprechen im Radio hören konnten. Das war total super.

Letztes Wochenende waren wir auf unserem ersten Tagesausflug nach San Antonio de Areco. Das ist 3 Stunden mit dem Bus von hier und ist eine Kleinstadt. Dort gibt es jedes Jahr im November ein Gaucho Fest. Gauchos sind sozusagen die argentinischen Cowboys. Es gab einen Umzug wo jeder Gaucho der Gegend seine Herde vorgeführt hat und später gab es auf einer riesigen Wiese noch einige Spektakel. So viele Pferde habe ich noch nie auf einem Haufen gesehen. Um den runden Platz herum war einMarkt aufgebaut, wo allerhand Zeug für Pferde und die Gauchos verkauft wurde. Dort habe ich mein erstes argentinisches Paar Alpargatas erstanden. Das sind diese Stoffschuhe, die es auch in Deutschland seit einiger Zeit gibt.

So, das wars erst mal von meiner Seite. Ích hoffe, ihr habt euch keine Sorgen gemacht, wo ich stecke. Bis zum nächsten Mal.

Mittwoch, 3. Oktober 2012

Regentraurigkeit


Wenn es regnet, denke ich an die Menschen in der Villa.
An die Häuser in den Armenvierteln. Wo die Menschen oft nur verrostetes Wellblech um sich herum haben. Und daran, wie diese Hütten am Rio stehen. Bald werden sie einen Zeh ins Wasser strecken, um die Temperatur zu fühlen, um dann bis zu den Knien hineinzuwaten. Das Wasser wird ins Haus laufen. Alles wird nass werden. Schon wieder. Immer wieder. Die Wäsche, die gerade im Rio gewaschen wurde und zum Trocknen auf der Leine hängt, gibt dem Fluss erneut die Hand. Auch wenn sie auf dem Dach aufgehängt wurde, wird sie vom Regen trotzdem wieder nass, so dass das Wasser aus den Stoffen rinnt, als würden sie bittere Tränen weinen.
Weinen um das Los der Menschen in diesen Häusern.
Weinen darum, dass die meist sowieso schon so gebeutelten und zerrütteten Familien, die ja schon genug Probleme haben, noch eine Schwierigkeit mehr zu bewältigen haben.
Aber das macht ja nichts. Das sind sie ja gewöhnt. Sie müssen ja sowieso im Winter frieren. Was macht es da schon aus, dass sie jetzt auch keine trockenen Füße und Kleider mehr haben?
Alles.
Im Leben dieser Menschen... Alles.
Es gibt berühmte, angesehene Menschen, die einmal gesagt haben: Das Glück eines Menschen hängt nicht davon ab, wie viel er besitzt, sondern davon, was er aus seinem Leben macht.
Aber wie kann ein Mensch in diesem Sinne Glück erlangen, wenn er nicht mal sicher trockenen Fußes durch sein Haus gehen kann? Wenn er ständig mit Krankheiten zu kämpfen hat, weil das Immunsystem von der harten Kälte im Winter und der unerbitterlich brennenden Sonne im Sommer so angegriffen ist, dass er sich so fühlen muss, als würde ihn der nächste Schnupfen kalt machen.
Und da sag jetzt noch einer, dass es im Leben dieses Menschen viel Glück geben kann.
Wie kann ein Mensch glücklich sein, wenn er ständig Sorge tragen muss, sich und seine Familie irgendwie zu ernähren? Ohne Arbeit und wenn es welche gibt, in den Countrys, bei den ganz Reichen, dann so, dass er den ganzen Tag für ein paar Pesos arbeitet und Abends so spät nach Hause kommt, dass die Kinder sich um sich selbst kümmern müssen.
Wie können die Kinder glücklich sein, wenn sie wissen, dass sie immer eine geringe Chance auf Arbeit haben werden, weil sie keine oder eine schlechte Schulbildung haben. Weil sich die Lehrer nicht dafür interessieren, wie weit die Schüler zurückhängen. Oder einfach, weil sie eben aus der Villa kommen.
Wenn es regnet und immer weiter regnet, so dass in Deutschland nur ein verärgerter Blick in den Himmel geworfen wird und die Tür zum warmen, sicheren Haus wieder geschlossen wird, dann denke ich an die Menschen in ihren Hütten.
Wie sie versuchen, einen Ausweg zu finden aus dieser kalten Nässe, die ihr Leben darstellt. Und ich denke an die Häuser, wie sie immer weiter ins Wasser waten und nicht stehenbleiben, nicht stehenbleiben dürfen, obwohl sie alle nicht schwimmen können.

Freitag, 21. September 2012

Campamento in Baradero, Internationale Post und Día de la Primavera

Hinter dem Haus, rechts sind die Ställe

Letztes Wochenende waren wir in Baradero, im Hogar Germán Frers. In diesem Tageszentrum arbeiten Nele und Mara. Wir waren dort mit unseren Kindern vom Arcángel. Das Tageszentrum liegt abgelegen und umgeben von wunderschönen (für Buenos Aires Verhältnisse) grünen Wiesen. Das Gelände ist riesig, mit Haupthaus, Nebengebäuden, Kirche, Ställen für Schweine, Schafe, Hühner, Pferde und einen Truthahn. Es gibt Obstbäume und Nussbäume und Beete für Kräuter, Salat und Blumen. Wir waren insgesamt 97 Leute. Die alle zu verköstigen hat meistens lange gedauert und war immer ein Spektakel.
Außer zu essen haben wir noch viele Spiele gespielt, Bibelstunde gehabt, einen Gottesdienst besucht, in dem wir vier Freiwillige von allen gesegnet wurden und insgesamt viel freie zeit gehabt um uns das Gelände gründlich anzuschauen.
In Baradero habe ich mich leider wahrscheinlich bei Nele angesteckt und total fertig. Außerdem gibt es dort soooo viele Mücken... so viele Stiche hatte ich noch nie. Als wir wieder zu Hause waren ging es mir gar nicht gut. Willy hat gesagt, ich hätte ein bisschen Fieber, also bin ich am nächsten Tag nicht zur Arbeit und bin daheim geblieben um zu gesunden. Außer einem fortwährenden Schnupfen geht es mir jetzt auch wieder gut.

Im Gemüsebeet
In diesem Land Post aus dem Ausland zu erhalten ist, wie ich feststellen musste, ein Akt. Man braucht dazu einen Abholschein, den man (hoffentlich) an seiner Tür oder im Briefkasten findet und seinen Reisepass. Vorgestern hatte ich von letzterem nur die Kopie dabei, also waren wir Heute nochmal da.
Das Gebäude der Internationalen Post ist am Retiro, also von uns aus ca. eine Stunde weg.
Dort (falls man es findet) geht man in ein von außen großes Gebäude und quetscht sich in ein kleines Zimmer das voller Menschen ist. Man zieht eine Nummer und ist erst mal entsetzt. 345. Na das kann ja dauern. Zum Glück waren sie bei unserer Ankunft schon bei 313. Man wartet also eine gefühlte Stunde und geht dann zum Schalter. Dort gibt man Nummer, Abholschein und Reisepass ab und erhält einen kleinen Zettel, auf dem eine weitere Nummer steht. Das ist die Nummer des Pakets. Mit dieser Nummer setzt man sich in den angrenzenden Raum. Dieser ist wesentlich größer und noch wesentlich voller. Man wartet und verzweifelt fast, weil der Kerl durch die Sprechanlage die 6-stelligen Nummern derart schnell und nuschelig von sich gibt und man irgendwie die 305557 raushören muss. Hat man das nach einer weiteren gefühlten Stunde geschafft (Freudenschrei!), geht man durch ein Drehkreuz in ein Hinterzimmer, gibt seinen Zettel ab, nimmt sein Päckchen entgegen und unterschreibt noch irgendeinen unverständlichen Wisch. Wuhu, geschafft!
Wenn das mit allen Päckchen, auch denen aus dem Inland, so funktioniert, wüsste ich einen Grund, warum hier so wenig im Internet bestellt wird.

Das bildliche Warten
Heute war Frühlingsanfang (Día de la Primavera) und der wurde groß gefeiert. Fast alle kamen verkleidet ins Projekt und wer nicht verkleidet war, wurde geschminkt. Maibrit war eine Mumie, ich war alter Mann und Ursula (die wir mitgenommen haben, weil sie frei hatte) war eine Katze.
Tanzspiel
Es wurden Hamburger gegrillt und den ganzen Tag gab es Musik. Dann wurde getanzt und ein Tanzspiel gespielt. Alle hatten tierisch viel Spaß und das war super zu sehen. Spaß haben sie zwar sonst auch immer, aber heute konnten sie einfach mal sein, wer sie wollten.

Dienstag, 11. September 2012

Eine Alltagsbeschreibung

Da ich nun mehr oder - wahrscheinlich doch eher - weniger im Alltag angekommen bin und es nicht jeden Tag etwas interessantes zu berichten gibt, beschreibe ich hier nun mal meinen „Alltag“, mit der verbundenen Info, dass ich nicht mehr allzu oft einen Beitrag schreiben werde. Wenn etwas interessantes passiert, schreibe ich es natürlich weiterhin.

Ich komme unter der Woche entweder um 9:30 oder um 12:30 ins Projekt.
Im Turno Manjana (Morgen) sind zwischen einem und sechs Jugendliche da. Am Freitag war zum Beispiel nur einer da, also haben wir uns zusammengesetzt und Kaffe getrunken und Kekse gegessen. Die Unterhaltung habe ich relativ gut verstanden, ab und zu hat Matías mir einiges langsam erklärt. Wenn mehrere Jugendliche da sind, wird Hausaufgabenhilfe gemacht und wenn diese z.B. nur Chemie betreffen, helfe ich Isabel in der Küche.
Dann wird um 12 gegessen. Darauf folgt ein weiteres Essen, aber mit dem Turno Tarde (spät). Wenn man also noch Hunger hat, kann man ohne Probleme zweimal essen.
Mit dem Turno Tarde werden dann verschiedene Aktivitäten gemacht: Gesellschafts-/Brettspiele spielen, Basteln, Malen, Draußen toben, Hausaufgabenhilfe und Ausflüge. An unserem ersten Tag waren wir in einer Art Zoo, gestern waren wir im Club Alemán. Das ist ein riesiges Sportgelände, mit Spielplatz, riesigen Wiesen, Schwimmbecken, Sprüngtürmen, Laufbahn und Fußballtoren. Dieses Gelände wurde von einer deutschen Vereinigung „errichtet“.
Auf dem Weg dorthin sind mir mal wieder die vielen freilaufenden Hunde aufgefallen. Da hier auch keine Hunde kastriert und sterilisiert werden, wenn sie keinem gehören, vermehren sie sich munter untereinander.
So habe ich zum Beispiel einen Hund gesehen, der aussah, wie ein Fabelwesen. Der Körper weiß und mit langem Fell, ähnlich einem Pudel. Der Kopf sah aus wie von einem Pitbull oder etwas in der Art. Der Schwanz war lang und struppig, wie bei einem Collie. Und um das ganze abzurunden, waren die Beine einfach irgendwie zu kurz geraten, Dackelbeine also. Übrigens gibt es viele Hunde in der Villa, deren eines Elternteil wohl ein Dackel war. Wenn ich den Hund mal wiedersehe und eine Kamera dabeihabe, dann mache ich mal ein Foto.
Die Kinder in der Einrichtung sind eigentlich alle lieber als erwartet. Wir haben kein richtiges Problemkind, dass nur aggressiv ist und um sich schlägt. Ein Junge ist ein wenig anstrengender, weil er selten hört und gewaltbereiter ist, als die anderen aber ansonsten sind sie recht lieb. Generell sind die Kinder, wenn sie begeistert sind entweder sehr laut oder leise. Gestern haben sie mit so viel Herzblut Gesellschaftsspiele gespielt, dass ich ziemliche Kopfschmerzen bekommen habe und heute Abend sehr fertig bin. Ein andermal haben wir eine Dokumentation über die Dekadenz des Schulwesens in Amerika geschaut. Die Jugendlichen waren so gebannt, dass sie mucksmäuschenstill waren.
Wir haben außerdem noch eine 17-jährige, die ein klein wenig behindert scheint. Keiner weiß es sicher, aber ein klein wenig merkt man es doch. Sie ist ein wenig kindisch und versteht nicht alles sofort. Außerdem schielt sie, was den Eindruck noch stark unterstreicht. Aber sie ist so super lieb und in anderen Belangen wieder so erwachsen, dass die Behinderung eigentlich kaum auffällt.
Dann ist immer um 17:00 die Merienda dran. Es gibt Saft (aus Pulver und super süß) oder Tee (super süß, ebenfalls) und Kekse. Nach einem anstrengenden Tag stärken die Kekse mehr, als man eventuell denken würde. Außerdem sind sie sooooo lecker, dass man, auch, wenn man es sich anders vornimmt, tüchtig zulangt.
Die An- und Abreise dauert immer 1 ¼ Stunden. Das ist zwar lang, aber man gewöhnt sich daran und kann die Zeit prima zum Abschalten nutzen. Ich habe innerhalb von einer Woche Oliver Twist gelesen, was ja auch nicht sehr dünn ist. Man hat mal Zeit für sich, was in der WG eben einfach nicht passiert. Was – nebenbeibemerkt – auch nicht weiter schlimm ist.
Total genial ist außerdem, dass wir unten im Gemeindesaal eine ganze Bibliothek an Büchern haben, die wir uns kostenlos ausleihen dürfen (unter der Vorraussetzung natürlich, dass wir sie zurückbringen). Die Auswahl erstreckt sich von Kinderbüchern über Romane und Krimis bis hin zu alter, guter, klassischer Literatur. Es stehen fast sämtliche Werke Goethes, Kants, Shakespears, Heines, Schillers und Kleißts im Regal. Alles in dicken Bänden, die oft noch mit Gold verziert sind. Desweiteren gibt es Dante, Homer, Albert Schweizer, Darwin und Oscar Wilde. 
Obwohl sie alle prächtig aussehen und in ihrer Vielzahl um so beeindruckender erscheinen, sind sie wohl nicht mehr so viel wert. Es gibt jeden Monat einen Bücherflohmarkt, wo die Bücher für umgerechnet 2 - 6 Euro verkauft werden. Ich bin jetzt mit Oliver Twist durch, habe schon mit “Die Schatzinsel“ angefangen und freue mich darauf, die ganzen alten Schinken zu lesen, was ja bekanntlich mehr Spaß macht, wenn man dieser Sache nicht mehr in der Schule, sondern in der Freizeit nachgeht.
Abends setzen wir uns schließlich zusammen, knüpfen Bändchen und trinken Mate oder am Wochenende auch mal Wein. Gestern haben wir damit begonnen bei Mate und Keksen „Das Amulett“ von Conrad Ferdinand Meyer vorzulesen. Ich war als erste an der Reihe und finde erstens das Buch spannend und zweitens ist es super dass ich es lese, da es noch in alter deutscher Schreibweise geschrieben ist und ich sie so lerne. Damit meine ich aber nicht die alte Rechtschreibung, sondern die verschnörkelte Schriftart, in welcher das s aussieht wie ein f, das y wie ein n und das B und das V komplett gleich sind. 
An den Wochenenden haben wir bisher auch immer etwas gefunden um uns zu beschäftigen, wir gehen auf Märkte, Einkaufen oder vorgestern waren endlich mal Nico und Jakob aus Florida da. In unserem Wohnzimmer, was gleichzeitig mein Zimmer ist, kann man es sich prima gemütlich machen.
Insgesamt habe ich schon eine sehr schöne Zeit im Projekt und in der WG erlebt und bin zuversichtlich, dass noch viele schöne kommen werden.

der Eisbär, an dem wir jeden Morgen vorbeigehen

Sonntag, 2. September 2012

Adrenalinschock (Nichts für schwache Nerven!)


Ein ganz normaler Vormittag. Wir wollen Brot backen. Wir holen Töpfe und Schüsseln aus dem Schrank. Maibrit sieht eine Spinne und will sie mit einem Tuch beseitigen. Damit fängt der Schlamassel an.
Sie nimmt ein Tuch und schreit, weil sie damit eine Kakerlake zum Vorschein gebracht hat. Okay, eine Kakerlake. Nicht so super. Aber erst machen wir erst mal ein Foto davon. Ist ja immerhin unsere erste. Danach rennt sie weg. Naja, wir haben ja Raid im Schrank stehen. Und damit fängt die Scheiße (Verzeihung) richtig an.
Ich sprühe eine kleine Ladung Raid unter das Spülbecken in unserem Schrank. Okay, alles dufte, lass jetzt Brot backen.

Erste Kakerlake - Der Anfang
Gut, wir voll am wirbeln, relativ gute Laune. Auf einmal – Kreisch – rennt eine Kakerlake aus dem Schrank. Wir total aus dem Häuschen, weil die auch größer war als die erste. Raid nehmen, drauf damit. Wir denken kurze Zeit später: Gut, das machen wir NIE wieder. Die Kakerlake fängt an elendig im Kreis laufend zu verrecken (Verzeihung). Total grässlich. Ich sage mir, mit der nächsten werde ich einfach leben und ihr zur Not einen Namen geben, aber das will ich nie wieder machen.
Aufregung vorbei, wir backen weiter Brot. Dann krabbeln – KREISCH – zwei weitere auf dem Boden rum. Wir nehmen Becher und sperren sie ein. Kurze Zeit stehen nach viel Herzklopfen, Unterbrechungen und Adrenalin 8 Becher auf dem Boden. So langsam gehen uns die Becher und Gläser aus. Gut, also – das Brot mittlerweile vergessen – wohin damit? Raus! Aber draußen treffen wir auch schon auf Karin, die uns verbietet, sie auszusetzen, weil sie dann, logisch, zu ihr in die Wohnung kommen. Sie tritt einfach drauf. Bäääüüüühh...
Sie sagt, einmal alle zwei Monate sprüht sie ihre Wohnung mit Raid aus. Wir (zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnend, was uns noch bevorsteht) nehmen uns vor, das auch mal irgendwann zu machen. Bis 13 Uhr sind noch etliche rausgekommen. Becher drauf.
Dann sind den Nachmittag alle in den Projekten.
Als Maibrit und ich um 20 Uhr nach Hause kommen, haben wir schon keine Lust in die Küche zu gehen. Wir müssen. Wir gehen einen Schritt rein, schauen um die Ecke und zucken zurück. Je länger wir hinschauen, desto mehr sehen wir auf dem krisseligen Boden. Wie bei einem Ameisenhaufen. Insgesamt liegen (ohne die noch unter den Tassen wartenden) ca. 11 in der Küche und 5 im Esszimmer. Von groß bis klein, lange Fühler, kurze Fühler, langer Kopf, runder Kopf. Alle auf dem Rücken, alle am sterben. Es ist grässlich. Wir versuchen sie aufzukehren. Immer, wenn man sie anstupst, bewegen sie sich.
So langsam sind meine Nerven so fertig, dass ich zu allem bereit bin, um sie endlich loszuwerden. Wir sammeln alle, auch die aus dem Waschbecken und die unter den Tassen auf und tun sie in eine Tüte. Die unter den Tassen sind schlimmer aufzusammeln als die unter den Gläsern, weil man da nicht weiß, was einen erwartet. So eine kleine ist ja voll okay, die kann man noch als Käfer verbuchen. Aber wenn da so ein 6 cm langes Mistviech entgegenspringt, erschreckt man sich schon ganz schön. Und die sind vielleicht schnell! Und wenn sie dann noch als Armee auftreten, in mehreren Wellen, ich glaube, das will keiner erleben. Im laufe des Abends sind dann noch ein paar rausgekommen. Gestern also insgesamt ungefähr 20 Stück.
Heute Morgen haben wir dann schon den Plan von Karin umgesetzt. Alles rausgeräumt, Raid in alle Ecken. Ich habe das gemacht, und ich bin wirklich fast erstickt. Ich habe immer am offenen Fenster Luft geholt und dann weitergesprüht. Mir gings eine Stunde lang nicht so gut danach. Alle Türen zu und ab nach Once. Schönen Tag gehabt. Schöne Sachen gesehen und gekauft und dann noch bei Janeckis Empanadas und Eis gegessen.
Das bittere Ende
Wir kommen heim und es STINKT. Alle Fenster mit Fliegengitter auf. Küche auf, Licht an. Gut, alle auf dem Rücken, kaum noch was bewegt sich. Immerhin etwas. Nachdem wir alle zusammengekehrt auf einem Kehrblech haben, mache ich ein Foto. Dann zähle ich sie. 55... FÜNFUNDFÜNFZIG!!! Hallo!? Wo zum Teufel haben die alle gewohnt? Und wovon haben sie sich ernährt? Das muss doch mega eng gewesen sein. 75 Kakerlaken auf einem Haufen! Man stell sich das mal vor! Ich fass es immer noch nicht...

Dienstag, 28. August 2012

Einfach ein schöner Tag


Ein kalter, sonniger Sonntagmorgen. Die Martínez-WG öffnet langsam die Augen. Es ist viertel nach 9. Langsam wachwerden, aufstehen, Zähne putzen, Tisch decken. Um halb 10 sitzen drei deutsche Mädels am Esszimmertisch und lassen es sich gut gehen. Mit selbst gemachtem Brot, selbst gemachtem Yoghurt, Obst und Aufstrich starten sie in den Tag. Danach rafft sich ein WG-Mitglied namens Ursula auf und geht in den deutschen Gottesdienst.
Fränzi skypt erst mal mit ihren Eltern in Deutschland an dem Ort mit dem meisten Internet-Empfang. Im Flur vor der Wohnung.
Nach Beendigung des Gottesdienstes ist dann der geplante Ausflug nach San Telmo auf den Markt fällig. Die Mädels sind gespannt, wie er sein wird, haben aber auch schon ein paar Ideen. Bestimmt ist er total schön. So mit Ständen am Straßenrand und die Verkäufer verkaufen größtenteils Quatsch.
Sie fahren mit Zug und Subte nach San Telmo und finden nach einiger Zeit die richtige Richtung zum Markt heraus. „Es ist ja auch eine große, verwirrende Stadt“, rechtfertigen sie sich.

In San Telmo sieht es nicht mehr so nach Großstadt aus. Kleinere Häuser, niedliche Restaurants, hübschere Fenster. Sie laufen einfach los und sagen sich, sie werden schon was finden. Nach einer Weile ruft Maibrit: „Hey, hier ist was!“
Sie stehen vor einem unscheinbaren Eingang. Ganz schlicht, relativ schmal und hoch. Der Eingang zu einer riesigen Halle.
Sie gehen voller Spannung in die Halle hinein und fühlen sich um 50 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Es ist ein bisschen dämmrig, aber nicht angsteinflößend dunkel, mehr eine wohnlich-gemütliche Atmosphäre. In der Halle gibt es jede menge kleiner Geschäfte. Jeder offene Stand hat noch einen kleinen abgetrennten Abschnitt wie ein Laden. Sie kommen an alten Streichholzschachtelsammlungen vorbei, an Schallplatten, Mate Gefäßen, Services aus Silber, Silbertabletts und ganz viel anderem antiken Krempel.
Viele Geschäfte verkaufen unter anderem alten Schmuck. In der ganzen Halle sieht es deswegen aus, als hätte es einige Haushaltsauflösungen von verstobenen Großmüttern gegeben. Einige der Verkäuferinnen sehen so aus, als wäre es ihr alter Schmuck, den sie gerne loswerden wollen.
An einem dieser Stände entdecken die Mädchen besonders schöne Schmuckstücke. Vor allem eine kleine silberne Ballerina-Brosche fällt Fränzi ins Auge. Sie ist sich aber noch nicht sicher, ob sie sie kaufen soll. Es fällt ihnen auf, dass es total schön ist, nicht unbedingt gleich das kaufen zu müssen, was sie schön finden. Im Urlaub hat man immer nur ein paar Stunden auf einem Markt, dann sieht man ihn nie wieder. Da die Mädels aber ein Jahr hier leben werden und der Markt jedes Wochenende ist, gehen sie erst mal weiter.
Irgendwann merken sie, dass sie doch ziemlich hungrig werden. Sie suchen in der Halle etwas zu Essen, aber dort gibt es nur teure Empanadas. Sie beschließen aus der Halle raus in eine Nebenstraße zu gehen und dort zu schauen. Der Markt geht ja nicht weg, sie können ja dann zurücklaufen.
Sie biegen nach rechts ab...
und können ihren Augen nicht trauen.

Sie stehen auf dem Gipfel einer breiten Straße, die in ein Tal abfällt und dann in der Ferne wieder nach oben ansteigt. Und diese Straße ist voller Stände und Menschen. Stände auf Tüchern am Boden, auf Tischen, einfache Kleiderständer und Bauchläden. Die ganze Straße ist lebendig und voller Einheimischer, Touristen und sonstigen Besuchern.
Die drei fühlen sich wie im Himmel. 

Sie merken, dass sie mit ihren WG-Mitgliedern Glück haben, denn alle drei lieben es, Krimskrams anzuschauen, in alten Sachen zu wühlen und hin und wieder vielleicht auch etwas zu kaufen. Auf diesem Teil des Marktes verbringen sie noch eine Weile, dann machen sie sich auf den Weg zurück zum Bahnhof Retiro, wo sie sich mit einer Freundin zum Kaffee verabredet haben.
Auf dem Rückweg kommen sie nochmals an der Halle vorbei. Fränzi merkt, dass ihr die Ballerina so sehr gefallen hat, dass sie sie doch jetzt schon mitnehmen möchte.
Am Ende des Tages, nach dem Kaffee und den Medialunas mit Vivi, nach der komplizierten Heimfahrt, weil die Züge ausgefallen sind, setzen sich die drei in ihr gemütliches Wohnzimmer, beschließen noch eine Film zu sehen, trinken dabei Mate und gehen dann glücklich und zufrieden ins Bett.

Donnerstag, 23. August 2012

Einziehen!

In der letzten Zeit ist viel passiert.

Wir haben ein Abschiedsfest gemacht, mit Asado.
Das war superschön, mit tollen Programmpunkten wie Liedern und Sketchen. Unser Projektleiter Rubén hat Asado gemacht, was ziemlich lecker war. Jetzt hoffen Maibrit und ich natürlich, dass wir noch öfter in den Genuss davon kommen werden.

Wir sind in unsere Wohnung in Martínez eingezogen!!
Wir kamen rein und dachten: Boah, schön!
Dann haben wir genauer hingeschaut und gedacht: OOh, nicht so super. Und dann haben wir angefangen zu putzen, zu schrubben und zu feudeln.
Nachdem wir dann die Zimmeraufteilung gelost haben, haben wir angefangen alle Zimmer umzuräumen und währenddessen nochmal grundzureinigen. Jedes Zimmer ist jetzt wunderschön eingerichtet und alle sind zufrieden. Das kann sogar fast über das nicht ganz so schöne farbliche Grundkonzept der Wohnung hinwegtäuschen: Pastell-Zitronengelb (Flur), Pastell-Aprikot (Zimmer) und Pastell-Minze (Küche und Bad).
Wir überlegen, ob wir streichen wollen, aber da die Decken hier so hoch sind, brauchen wir dafür eine Leiter und es würde teuer werden.
Achja, wir haben übrigens einen Balkon, was echter Luxus ist.

Wir haben den ersten Tag im Projekt gehabt.
Wir sind mit dem Bus hingefahren und sind dann mit Beso begrüßt worden. Dann standen wir eher nur rum und wussten nicht, was wir tun sollen. Nach dem leckeren Essen sind wir mit den ganzen Kindern in einen Tierpark gegangen, in den Tiere kommen, die aus Wohnungen geholt werden. Insgesamt ein megasupertoller Tag, aber jetzt bin ich auch ziemlich fertig. Ich werde sehr bald ins Bett gehen.

Soweit ein kurzer Bericht von mir, in naher Zukunft werde ich die Wohnung und das Projekt noch einmal genauer beschreiben.
Gute Nacht

Sonntag, 19. August 2012

Resumee





Ich bin jetzt seit 12 Tagen in Buenos Aires.
Ich gewöhne mich so langsam daran, in einer Großstadt zu leben.
Ich gehe schon wie die Argentinier über die Straße, trinke viel Mate und Terere.
Ich habe kein Problem mehr damit, mich in den übervollen Zug zu quetschen.
Aber dennoch fühle ich mich noch fremd.

Die Stadt hat viel zu bieten.
Die Stadt ist voller Leben.
Die Stadt macht mich ruhig, obwohl alles laut ist.
Die Stadt tut mir gut, glaube ich.
Aber dennoch bin ich krank, seitdem ich hier bin.

Wir sind jeden Tag beschäftigt.
Wir lernen so viel über die Stadt und das Land und die Sprache.
Wir werden jeden Tag mit super leckerem Essen von Gabi verwöhnt.
Wir haben kaum Zeit auszuruhen, weil wir immer etwas machen.
Aber dennoch finde ich die Zeit, an zu Hause zu denken und es zu vermissen.

Manchmal vergesse ich, dass ich in Buenos Aires bin.
Manchmal vergesse ich, dass ich nur ein Jahr hier sein werde.
Manchmal wache ich auf und denke, ich liege in meinem Zimmer in Deutschland.
Manchmal wache ich auf und merke sofort, dass ich hier bin.
Aber dennoch werde ich ein ganzes Jahr hier sein und irgendwann „zu Hause“ sagen.

Wenn man die Stadt mit der falschen Einstellung oder schlechter Laune betrachtet,
Dann sieht man keine schöne Stadt.
Dann ist sie sogar sehr hässlich.
Dann kann man einen Hass auf die Stadt kriegen und alles nur ätzend finden.

Der Verkehr nervt...
Zu viele hässliche Hochhäuser und zerfallene Gebäude...
Zu viele Menschen...
Zu schlechte Gehwege, man muss jeden zweiten Schritt einem kleinen Pool ausweichen...
Zu viel Armut...
Zu wenig gute Luft...
Zu unorganisiert...
Zu viel Müll...
Zu viele neugierige Blicke...
Zu wenig grüne Flächen, nur ein paar Bäume...
Zu fettiges Essen...
Zu süße Süßigkeiten...
Zu viele Leute, die auf der Straße leben...
Zu süße Fruchtsäfte, nicht mal ein einfacher Apfelsaft...
Zu volle Bahnen...
Zu viele Unterschiede zu Deutschland..
Zu rechteckig angelegte Straßen...
Zu laut.

Aber wenn man in einer ruhigen Minuten im Zug sitzt und nach draußen schaut,
Wenn man sich einfach mal entspannt,
Wenn man mal nicht darüber nachdenkt
Dann wirkt die Stadt ganz anders.
Ich finde die Stadt von Tag zu Tag sympathischer.

Die vielen Busverbindungen.
Die Empanadas.
Die netten Menschen.
Die kurzen Wege zum nächsten Supermarkt.
Die Möglichkeiten.
Die Süßigkeiten.
Das leckere Essen.
Die Ferias.
Die vielen Menschen.
Die Familie Janecki.
Die unterschiedlichen Häuser.
Das Projekt in dem ich arbeiten werde.
Die vielen Leute, die auf der Straße leben.
Die Ähnlichkeiten zu Deutschland.
Die rechteckig angelegten Straßen, in denen man so weit sehen kann.
Die vielen Geschäfte.
Die Straßenstände.
Der Terere und die gesellige Tradition des Mate-Trinkens.
Die Unterschiede zu Deutschland.
Diese absolut andere Welt im Gegenteil zu meinem Heimatdorf.

Ich finde die Stadt sympathisch.
Ich bin mir noch nicht sicher, ob ich die Stadt mag, oder jemals mögen werde.
Aber sympathisch trifft es ganz gut.
Ja, sympathisch ist ein gutes Wort.

Donnerstag, 16. August 2012

Ausflug zur ESMA

Ich sitze gerade am Wohnzimmertisch und trinke zur Entspannung Terere, das ist wie Mate, nur nicht mit heißem Wasser, sondern kalt mit süßem Fruchtsaft wie Ananas oder Orange.
Die Entspannung ist notwendig, weil heute ein zwar kurzer, aber sehr anstrengender Tag war, der sich noch jetzt durch große Kopfschmerzen bemerkbar macht.
Wir mussten heute eine halbe Stunde früher aufstehen, weil wir einen spanischen Film schauen wollten und weil wir danach noch in die ESMA wollten. Der Film hieß Herencia und war sehr interessant und gut, so dass mir am Ende auch ein paar Tränen über die Wangen liefen.

protziges Gebäude Nummer 23
Dann sind wir in die ESMA aufgebrochen. ESMA bedeutet: Escuela de Mecánica de la Armada. Auf "Verständlich": Schule der Mechanik von der Armee. Oder so.
Auf jeden Fall ist das ein riesiger Gebäudekomplex, ein ganzer kleiner Stadtteil sozusagen.
Dort stehen viele sehr protzig aussehende Gebäude in denen z.B. die Auszubildenden und Ausbilder des Militärs in der Zeit der Diktatur gewohnt haben. Dort gibt es Wäscherei-, Bäckerei-, Schwimmbad-, Küchen- und Sportgebäude. 
Auf dem Gelände darf man fotografieren, in den Gebäuden aber nicht. 

Lageplan ESMA
Das Gebäude Nummer 23 haben wir besichtigt. In diesem Gebäude wohnten in den Jahren 1976 bis 1983 die Officer. Außerdem wurde dieses Gebäude für Inhaftierung, Folter und Ausrottung der "Desaparecidos" benutzt.
In der Militärdiktatur wurden viele Menschen, die dem Regime "nicht gepasst" haben, entführt und dann im Keller des Gebäudes gefoltert. Das Regime hat seit langem befürchtet, dass ganz Argentinien vom Kommunismus unterwandert ist. Durch die Folter wollten sie herausfinden, wo die geheimen Treffpunkte waren.


Posten mit Scharte der Kette
Die Menschen wurden mit normalen Autos zu dem Gebäudekomplex gebracht. Wenn die Autos ankamen mussten sie sich bei einem Posten melden, der dann eine Kette nach unten gelassen hat, die den Weg versperrt hat. Das erste, was viele Überlebende von der ESMA erzählen können ist, dass das Auto in dem sie gefesselt und mit Kapuze über dem Kopf saßen, über eine Metallkette fuhr. Auf dem Bild sieht man die Stelle, an der die Kette ständig für die insgesamt rund 5.000 Desaparecidos runtergelassen wurde. Insgesamt gab es in der ganzen Zeit der Diktatur, in ganz Argentinien ungefähr 30.000 Desaparecidos.

Nach der Folter wurden die Menschen in den dritten Stock des Gebäudes gebracht und haben dort noch einige Zeit gelebt. Der Zeitraum war unterschiedlich, der Überlebende, der am längsten dort war, lebte 4 Jahre dort. Die Desaparecidos lagen Tag und Nacht an Händen und Füßen gefesselt und mit Kapuze über dem Kopf unter dem Dach. Im Winter war es sehr kalt und im Sommer brüllend heiß. Wenn man dort nicht auch an bestimmten Zeiten gearbeitet hat, lag man einfach nur da und hat darauf gewartet, dass irgendetwas passiert. Sie lebten ständig in der Angst, dass die Wärter ihre Nummern aufrufen könnten, um sie wo anders hin zu bringen... Es gab auch Zitate von Überlebenden, die in den Räume auf Schildern geschrieben standen. Es war sehr krass, zu wissen, dass man in dem Raum steht, wo diese Menschen lagen oder gefoltert wurden. 

Wer nach Buenos Aires kommt und sich für die Diktatur interessiert, sollte auf jeden Fall einmal in die ESMA gehen. Sehr empfehlenswert, vor allem, weil es nicht nur auf den Schmerz der Leute ausgerichtet ist, sondern bei der Führung auch sehr stark auf die politischen Hintergründe eingegangen wird.

Ich werde jetzt schlafen gehen, damit ich morgen wieder richtig fit bin.
Gute Nacht.

Donnerstag, 9. August 2012

Erster Besuch in Arcángel

Heute waren wir mit Annika - die vor zwei Jahren in Arcángel Gabriel war - zu Besuch dort. 

Maibrit (meine Mitbewohnerin und Mitarbeiterin in spe) und ich haben uns vorgestellt und wir haben die Einrichtung kennengelernt. Auf den ersten Blick sehr klein, erstreckt sie sich aber doch über eine Menge Räume, große und kleine. 
Der Eingang zum Arcángel Gabriel
Es gibt Hausaufgabenhilfe, Sport wird angeboten, es wird gebacken (im eigenen Holzofen) und natürlich auch kreative Sachen wie Artesanias (Schmuck selbermachen) und Dinge aus Glas (Ohrringe, Schüsseln) werden gemacht. 

Ich werde dort von Montag bis Freitag immer nachmittags arbeiten und vormittags wechsle ich mich mit Maibrit ab.


Jetzt wo wir die Einrichtung kennen, freuen wir beide uns schon total auf unsere Arbeit. Die Kinder und auch die Mitarbeiter um/und Rubén (Projektleiter) sind total nett, offen und lieb. Und so fröhlich!



Der Holzofen, mit dem Pool im Hintergrund
Dann sind wir mit den anderen Freiwilligen, dessen Projekte nicht besucht werden konnten (weil in Paraguay, Uruguay oder einfach zu weit weg), durch das Barrio gegangen. Erst durch die Bereiche mit Häusern aus Steinen, dann durch Schleichwege durch die ganz armen Wellblechhüttensiedlung. Es war sehr interessant und auch erschreckend das zu sehen, obwohl ich mit meiner Schwester Henni, die ein Jahr in Costa Rica war, schonmal durch so ein Barrio gegangen bin. Man denkt einfach nicht daran, wie ärmlich die Menschen dort leben. Und es ist wundervoll zu sehen, wie sie sich in Arcángel wohl fühlen!

Krass war zu sehen, wie direkt neben dem Barrio in dem ich arbeiten werde (oder schon fast besser gesagt IN dem Barrio) eine riesige Betonmauer aufragt, die noch mit Stacheldraht und sogar Wachmännern gesichert ist. Dort in dem abgegrenzten Raum leben die Reichsten von Buenos Aires. Man kommt nur durch eine Einfahrt rein, man muss seinen Pass zeigen, sich also ausweisen. Dort stehen die großen Villen und in den großen Villen arbeiten viele Leute aus den Barrios für weniger als 1 Euro die Stunde, 12 Stunden am Tag, 7 Tage die Woche. Natürlich ist diese Arbeit nicht legal, aber weil sie billige Arbeitskräfte sind, werden sie nicht denunziert.
links Barrio, rechts das Country ("Reichenviertel")

Wachposten an der Mauer des Countrys
ein Teil des Barrios und der Rücken einer Freiwilligen
Der erste Tag dort war also sehr ereignisreich, und ich bin auch schon wieder todmüde. Hier ist es 23 Uhr und in Deutschland eben schon 4 Uhr nachts. Gute Nacht.
Un abrazo!

Mittwoch, 8. August 2012

Aus Fehlern lernt man!

Der erste Tag in der capacitación war total gut.
Der Anfang des Sprachkurses war super, wir haben einen kleinen Test gemacht, um uns in Gruppen des "Könnens" aufzuteilen und dann haben wir Spiele auf Spanisch gespielt. Morgen geht's um 9 Uhr weiter mit den aufgeteilten Gruppen.

Außerdem haben wir heute noch einmal viel über die Einsatzstellen und die IERP (Iglesia Evangelia del Rio de la Plata) generell erfahren.

So, und dann geschieht folgendes:
Wir wollen nach Hause, also nach Villa Ballester. 
Wir fahren das erste Mal ganz alleine, vorher hat Willy uns nämlich begleitet. Okay, kein Problem. Wir müssen ja nur von dem Haus der Iglesia die Straße hoch, in den tren rein - Richtung Suarez, 7 Stationen weiter, raus, und wir sind da.
Gut, los geht's.
Wir laufen zur Haltestelle, wechseln die Straßenseite (richtig), warten auf die nächste Bahn (richtig), steigen ein (falsch) und freuen uns, dass wir endlich nach Hause können, denn dort war die Aussicht auf Empanadas und einen Film über die Einsatzstellen. Okay, soweit so gut (falsch). Wir fahren eine Station weiter und merken, dass wir den Stationsnamen überhaupt nicht kennen. 
Ups. Falsche Richtung. Na toll, typischer Anfängerfehler. 
Also alle raus, Straßenseite wechseln und nochmal ewig auf den tren in Richtung Retiro warten. Die kommt, wir steigen ein, fahren zurück nach Belgrano. Gut. Wieder Straßenseite wechseln und dann warten. Natürlich ist die erste, die kommt wieder eine in die falsche Richtung. Wir steigen nicht ein (richtig!) und nehmen den nächsten Zug Richtung Suarez. Wuhuuu!
Wir stehen drin, es ist so eng, dass man nicht mal umfallen kann und fahren in die richtige Richtung los.
Eine Station weiter geht auf einmal noch während der Fahrt das Licht aus und draußen ist es auch schon dunkel. Volle Bahn, mulmiges Gefühl im Bauch. Uns wird gesagt, die Bahn sei kaputt, die würde auch nicht mehr weiterfahren. Wir überlegen schon, wie wir jetzt an ein Remis (Art Taxi, nur sicherer) kommen, da gehen die Lichter wieder an, alle steigen ein und wir können endlich nach Hause fahren!

Ja, soweit die Geschichte, ich glaube jetzt werden wir immer erst auf das Schild schauen, wohin die Bahn fährt, bevor wir einsteigen. Den Fehler begehen wir nicht noch einmal. Und gut, dass uns das passiert während wir noch zu fünft rumlaufen. Alleine wäre das nicht ganz so witzig gewesen.

So jetzt werde ich mir noch was bequemeres anziehen ;) und dann gibt's auch schon Empanadas.

Schüss und Gute Nacht.

Dienstag, 7. August 2012

Ankunft

Hallo,

Mein Name ist Franziska Brümmer und ich werde ein Jahr in Buenos Aires verbringen in der Einrichtung "Arcangel Gabriel". Ich leiste einen Freiwilligendienst mit dem DJIA und ich werde im Norden von Buenos Aires wohnen.

Ich habe zwar spät damit angefangen, einen Blog einzurichten, habe es jetzt aber geschafft, und fange dann auch mal mit dem ersten Beitrag an.

Also, nachdem sich Deutschland mit Regen, aber mit Regenbogen von mir verabschiedet hat, habe ich in Paris die anderen (Rabea, Daniela und Jan) getroffen und bin mit ihnen ins Flugzeug nach Buenos Aires gestiegen. Der Flug war gut....

Am Flughafen wurden wir herzlich von Ayelen und Willy begrüßt. Ich wohne jetzt für die ersten zwei Wochen der capacitación (Vorbereitung/Einführungsseminar) bei Willy. Hier wohnen auch noch 4 andere Mädels (Mara, Catharina, Nele und Maibrit). Willy ist total nett und kann auch super gut Deutsch. Seine Oma ist nach Argentinien ausgewandert. Er hat jetzt hier seine Familie und erzieht seine zwei Töchter auch zweisprachig. Um 3 Uhr werden wir mit dem Zug zum "capacitaciónshaus" fahren und dann geht es auch schon los.

Begriffen, dass ich jetzt ein Jahr lang von Deutschland weg bin habe ich noch nicht.
Mal sehen, wann die Erkenntnis kommt...

Liebe Grüße an alle im deutschen "Sommer" aus dem argentinischen "Winter"!