Wenn es regnet, denke ich an die
Menschen in der Villa.
An die Häuser in den Armenvierteln. Wo
die Menschen oft nur verrostetes Wellblech um sich herum haben. Und
daran, wie diese Hütten am Rio stehen. Bald werden sie einen Zeh ins
Wasser strecken, um die Temperatur zu fühlen, um dann bis zu den
Knien hineinzuwaten. Das Wasser wird ins Haus laufen. Alles wird nass
werden. Schon wieder. Immer wieder. Die Wäsche, die gerade im Rio
gewaschen wurde und zum Trocknen auf der Leine hängt, gibt dem Fluss
erneut die Hand. Auch wenn sie auf
dem Dach aufgehängt wurde, wird sie vom Regen trotzdem wieder
nass, so dass das Wasser aus den Stoffen rinnt, als würden sie
bittere Tränen weinen.
Weinen um das Los der Menschen in
diesen Häusern.
Weinen darum, dass die meist sowieso
schon so gebeutelten und zerrütteten Familien, die ja schon genug
Probleme haben, noch eine Schwierigkeit mehr zu bewältigen haben.
Aber das macht ja nichts. Das sind sie
ja gewöhnt. Sie müssen ja sowieso im Winter frieren. Was macht es
da schon aus, dass sie jetzt auch keine trockenen Füße und Kleider
mehr haben?
Alles.
Im Leben dieser Menschen... Alles.
Es gibt berühmte, angesehene Menschen,
die einmal gesagt haben: Das Glück eines Menschen hängt nicht davon
ab, wie viel er besitzt, sondern davon, was er aus seinem Leben
macht.
Aber wie kann ein Mensch in diesem
Sinne Glück erlangen, wenn er nicht mal sicher trockenen Fußes
durch sein Haus gehen kann? Wenn er ständig mit Krankheiten zu
kämpfen hat, weil das Immunsystem von der harten Kälte im Winter
und der unerbitterlich brennenden Sonne im Sommer so angegriffen ist,
dass er sich so fühlen muss, als würde ihn der nächste Schnupfen
kalt machen.
Und da sag jetzt noch einer, dass es im
Leben dieses Menschen viel Glück geben kann.
Wie kann ein Mensch glücklich sein,
wenn er ständig Sorge tragen muss, sich und seine Familie irgendwie
zu ernähren? Ohne Arbeit und wenn es welche gibt, in den Countrys,
bei den ganz Reichen, dann so, dass er den ganzen Tag für ein paar
Pesos arbeitet und Abends so spät nach Hause kommt, dass die Kinder
sich um sich selbst kümmern müssen.
Wie können die Kinder glücklich sein,
wenn sie wissen, dass sie immer eine geringe Chance auf Arbeit haben
werden, weil sie keine oder eine schlechte Schulbildung haben. Weil
sich die Lehrer nicht dafür interessieren, wie weit die Schüler
zurückhängen. Oder einfach, weil sie eben aus der Villa kommen.
Wenn es regnet und immer weiter regnet,
so dass in Deutschland nur ein verärgerter Blick in den Himmel
geworfen wird und die Tür zum warmen, sicheren Haus wieder
geschlossen wird, dann denke ich an die Menschen in ihren Hütten.
Wie sie versuchen, einen Ausweg zu
finden aus dieser kalten Nässe, die ihr Leben darstellt. Und ich
denke an die Häuser, wie sie immer weiter ins Wasser waten und nicht
stehenbleiben, nicht stehenbleiben dürfen, obwohl sie alle nicht
schwimmen können.