Dienstag, 28. August 2012

Einfach ein schöner Tag


Ein kalter, sonniger Sonntagmorgen. Die Martínez-WG öffnet langsam die Augen. Es ist viertel nach 9. Langsam wachwerden, aufstehen, Zähne putzen, Tisch decken. Um halb 10 sitzen drei deutsche Mädels am Esszimmertisch und lassen es sich gut gehen. Mit selbst gemachtem Brot, selbst gemachtem Yoghurt, Obst und Aufstrich starten sie in den Tag. Danach rafft sich ein WG-Mitglied namens Ursula auf und geht in den deutschen Gottesdienst.
Fränzi skypt erst mal mit ihren Eltern in Deutschland an dem Ort mit dem meisten Internet-Empfang. Im Flur vor der Wohnung.
Nach Beendigung des Gottesdienstes ist dann der geplante Ausflug nach San Telmo auf den Markt fällig. Die Mädels sind gespannt, wie er sein wird, haben aber auch schon ein paar Ideen. Bestimmt ist er total schön. So mit Ständen am Straßenrand und die Verkäufer verkaufen größtenteils Quatsch.
Sie fahren mit Zug und Subte nach San Telmo und finden nach einiger Zeit die richtige Richtung zum Markt heraus. „Es ist ja auch eine große, verwirrende Stadt“, rechtfertigen sie sich.

In San Telmo sieht es nicht mehr so nach Großstadt aus. Kleinere Häuser, niedliche Restaurants, hübschere Fenster. Sie laufen einfach los und sagen sich, sie werden schon was finden. Nach einer Weile ruft Maibrit: „Hey, hier ist was!“
Sie stehen vor einem unscheinbaren Eingang. Ganz schlicht, relativ schmal und hoch. Der Eingang zu einer riesigen Halle.
Sie gehen voller Spannung in die Halle hinein und fühlen sich um 50 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Es ist ein bisschen dämmrig, aber nicht angsteinflößend dunkel, mehr eine wohnlich-gemütliche Atmosphäre. In der Halle gibt es jede menge kleiner Geschäfte. Jeder offene Stand hat noch einen kleinen abgetrennten Abschnitt wie ein Laden. Sie kommen an alten Streichholzschachtelsammlungen vorbei, an Schallplatten, Mate Gefäßen, Services aus Silber, Silbertabletts und ganz viel anderem antiken Krempel.
Viele Geschäfte verkaufen unter anderem alten Schmuck. In der ganzen Halle sieht es deswegen aus, als hätte es einige Haushaltsauflösungen von verstobenen Großmüttern gegeben. Einige der Verkäuferinnen sehen so aus, als wäre es ihr alter Schmuck, den sie gerne loswerden wollen.
An einem dieser Stände entdecken die Mädchen besonders schöne Schmuckstücke. Vor allem eine kleine silberne Ballerina-Brosche fällt Fränzi ins Auge. Sie ist sich aber noch nicht sicher, ob sie sie kaufen soll. Es fällt ihnen auf, dass es total schön ist, nicht unbedingt gleich das kaufen zu müssen, was sie schön finden. Im Urlaub hat man immer nur ein paar Stunden auf einem Markt, dann sieht man ihn nie wieder. Da die Mädels aber ein Jahr hier leben werden und der Markt jedes Wochenende ist, gehen sie erst mal weiter.
Irgendwann merken sie, dass sie doch ziemlich hungrig werden. Sie suchen in der Halle etwas zu Essen, aber dort gibt es nur teure Empanadas. Sie beschließen aus der Halle raus in eine Nebenstraße zu gehen und dort zu schauen. Der Markt geht ja nicht weg, sie können ja dann zurücklaufen.
Sie biegen nach rechts ab...
und können ihren Augen nicht trauen.

Sie stehen auf dem Gipfel einer breiten Straße, die in ein Tal abfällt und dann in der Ferne wieder nach oben ansteigt. Und diese Straße ist voller Stände und Menschen. Stände auf Tüchern am Boden, auf Tischen, einfache Kleiderständer und Bauchläden. Die ganze Straße ist lebendig und voller Einheimischer, Touristen und sonstigen Besuchern.
Die drei fühlen sich wie im Himmel. 

Sie merken, dass sie mit ihren WG-Mitgliedern Glück haben, denn alle drei lieben es, Krimskrams anzuschauen, in alten Sachen zu wühlen und hin und wieder vielleicht auch etwas zu kaufen. Auf diesem Teil des Marktes verbringen sie noch eine Weile, dann machen sie sich auf den Weg zurück zum Bahnhof Retiro, wo sie sich mit einer Freundin zum Kaffee verabredet haben.
Auf dem Rückweg kommen sie nochmals an der Halle vorbei. Fränzi merkt, dass ihr die Ballerina so sehr gefallen hat, dass sie sie doch jetzt schon mitnehmen möchte.
Am Ende des Tages, nach dem Kaffee und den Medialunas mit Vivi, nach der komplizierten Heimfahrt, weil die Züge ausgefallen sind, setzen sich die drei in ihr gemütliches Wohnzimmer, beschließen noch eine Film zu sehen, trinken dabei Mate und gehen dann glücklich und zufrieden ins Bett.

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