Donnerstag, 16. August 2012

Ausflug zur ESMA

Ich sitze gerade am Wohnzimmertisch und trinke zur Entspannung Terere, das ist wie Mate, nur nicht mit heißem Wasser, sondern kalt mit süßem Fruchtsaft wie Ananas oder Orange.
Die Entspannung ist notwendig, weil heute ein zwar kurzer, aber sehr anstrengender Tag war, der sich noch jetzt durch große Kopfschmerzen bemerkbar macht.
Wir mussten heute eine halbe Stunde früher aufstehen, weil wir einen spanischen Film schauen wollten und weil wir danach noch in die ESMA wollten. Der Film hieß Herencia und war sehr interessant und gut, so dass mir am Ende auch ein paar Tränen über die Wangen liefen.

protziges Gebäude Nummer 23
Dann sind wir in die ESMA aufgebrochen. ESMA bedeutet: Escuela de Mecánica de la Armada. Auf "Verständlich": Schule der Mechanik von der Armee. Oder so.
Auf jeden Fall ist das ein riesiger Gebäudekomplex, ein ganzer kleiner Stadtteil sozusagen.
Dort stehen viele sehr protzig aussehende Gebäude in denen z.B. die Auszubildenden und Ausbilder des Militärs in der Zeit der Diktatur gewohnt haben. Dort gibt es Wäscherei-, Bäckerei-, Schwimmbad-, Küchen- und Sportgebäude. 
Auf dem Gelände darf man fotografieren, in den Gebäuden aber nicht. 

Lageplan ESMA
Das Gebäude Nummer 23 haben wir besichtigt. In diesem Gebäude wohnten in den Jahren 1976 bis 1983 die Officer. Außerdem wurde dieses Gebäude für Inhaftierung, Folter und Ausrottung der "Desaparecidos" benutzt.
In der Militärdiktatur wurden viele Menschen, die dem Regime "nicht gepasst" haben, entführt und dann im Keller des Gebäudes gefoltert. Das Regime hat seit langem befürchtet, dass ganz Argentinien vom Kommunismus unterwandert ist. Durch die Folter wollten sie herausfinden, wo die geheimen Treffpunkte waren.


Posten mit Scharte der Kette
Die Menschen wurden mit normalen Autos zu dem Gebäudekomplex gebracht. Wenn die Autos ankamen mussten sie sich bei einem Posten melden, der dann eine Kette nach unten gelassen hat, die den Weg versperrt hat. Das erste, was viele Überlebende von der ESMA erzählen können ist, dass das Auto in dem sie gefesselt und mit Kapuze über dem Kopf saßen, über eine Metallkette fuhr. Auf dem Bild sieht man die Stelle, an der die Kette ständig für die insgesamt rund 5.000 Desaparecidos runtergelassen wurde. Insgesamt gab es in der ganzen Zeit der Diktatur, in ganz Argentinien ungefähr 30.000 Desaparecidos.

Nach der Folter wurden die Menschen in den dritten Stock des Gebäudes gebracht und haben dort noch einige Zeit gelebt. Der Zeitraum war unterschiedlich, der Überlebende, der am längsten dort war, lebte 4 Jahre dort. Die Desaparecidos lagen Tag und Nacht an Händen und Füßen gefesselt und mit Kapuze über dem Kopf unter dem Dach. Im Winter war es sehr kalt und im Sommer brüllend heiß. Wenn man dort nicht auch an bestimmten Zeiten gearbeitet hat, lag man einfach nur da und hat darauf gewartet, dass irgendetwas passiert. Sie lebten ständig in der Angst, dass die Wärter ihre Nummern aufrufen könnten, um sie wo anders hin zu bringen... Es gab auch Zitate von Überlebenden, die in den Räume auf Schildern geschrieben standen. Es war sehr krass, zu wissen, dass man in dem Raum steht, wo diese Menschen lagen oder gefoltert wurden. 

Wer nach Buenos Aires kommt und sich für die Diktatur interessiert, sollte auf jeden Fall einmal in die ESMA gehen. Sehr empfehlenswert, vor allem, weil es nicht nur auf den Schmerz der Leute ausgerichtet ist, sondern bei der Führung auch sehr stark auf die politischen Hintergründe eingegangen wird.

Ich werde jetzt schlafen gehen, damit ich morgen wieder richtig fit bin.
Gute Nacht.

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