Donnerstag, 6. Dezember 2012

Weltuntergangsfeeling


In Buenos Aires gibt es drei verschiedene Arten von Wetterlagen: Sahara-Wüsten-Sonnen-Hitze, Iguazu-Wasserfall-artiger Regen oder Tage an denen beides nacheinander oder auch gleichzeitig auftritt. Aber Tage, an denen nur ein bisschen die Sonne scheint gibt es nicht. Wenn sie nicht scheint, ist es schwül und wenn sie scheint ist es erdrückend heiß. Auch gibt es keine Tage, an denen es nur ein bisschen regnet. Wenn es regnet fallen gleich Sturzbäche vom Himmel.
Und so einen Tag hatte ich heute.

Schon seit dem Morgen regnet es fast ununterbrochen. Mal mehr, mal weniger, meistens aber mehr.
Im Bus ist es verdammt heiß, aber man kann die Fenster nicht öffnen, weil man sonst geduscht wird. Dabei donnert es hin und wieder. Mit dem Donner verhält es sich ungefähr wie mit dem Regen. Entweder es gibt keinen Donner oder er ist dermaßen laut, dass man fast vom Stuhl hüpft. Außerdem ist es nicht wie in Deutschland ein Schlag und gut und dass dann auch nur ein paar Nächte im Hochsommer. Hier donnert es mindestens einmal die Woche. Und der Donner rollt an und wieder weg. Wie ein Rennauto. Er ist leise wie ein knurrender Hund, wird lauter, haut dich dann in seiner ohrenbetäubenden Lautstärke vom ebenerwähnten Stuhl und verzieht sich dann wieder, aber schimpft dabei immer noch weiter, wie ein unzufriedener Lehrer.
Pft…und ich hatte in meiner Kindheit oben im Dachgeschoss Angst wenn es gedonnert hat. Was hätte ich denn dann hier gemacht? Sterben? Naja, zurück zum Weltuntergang.
Im Projekt bekommt man dann nach einer Eingewöhnungszeit nicht mehr viel vom Regen mit.
Klar, es tropft durch die Decke und man muss aufpassen, nicht gegen einen der vielen Eimer und Töpfe zu stoßen, die das schlimmste Wasser auffangen.
Klar, es ist im Projekt dunkler, weil draußen fast alles Licht von den Wolken verschluckt wird wie Jona vom Wal.
Aber an all das kann man sich gewöhnen.
Heute allerdings sitze ich gerade mit Magali und Micaela beim Phase 10 spielen und plötzlich springen die beiden auf und laufen in den Hauptraum. Ich drehe mich um, um zu sehen, was denn nun um Gottes Willen wieder passiert ist und traue meinen Augen kaum. Der große Raum ist überflutet und sechs Kinder springen vergnügt darin herum und versuchen irgendwie das Wasser wieder nach draußen zu bekommen. Das ist natürlich vergebens.
Plötzlich denke ich nur noch „Nein, lasst das!“, doch zu spät. Die Kinder haben in der Hoffnung dass das Wasser so schneller abfließt die rechteckigen Deckel aus dem Boden geholt, unter denen einige Abwasser laufen. Aus den Abflüssen, die natürlich auch schon voll sind, kommt braunes Wasser in Zimmer und auf den weißen Fliesen sieht man nur allzu deutlich Dreckklumpen, tote Insekten und andere Dinge, die man nicht bestimmen kann und es wahrscheinlich auch gar nicht will.
Alle Kinder wurden an einen nur von oben nässenden Ort verbannt und ich hatte die Aufgabe, Saft und Kekse aus der Küche zu holen, wofür ich meine Schuhe ausgezogen habe und mit einigem Ekel durch die Brühe geschliddert bin.
Aus der Dusche kam, wie aus allen anderen Hähnen auch kein Wasser, also bin ich so wieder in meine Schuhe, die ich auch hätte anlassen können.
Auf dem Heimweg muss ich durch große Pfützen waten und mein Versuch meine Schuhe sauber zu halten ist nun endgültig missglückt.
Doch so viel Wasser schon in der Villa ohne Gullis und nur mit Abwassergräben, durch die nichts laufen kann steht, das ist nichts gegen die Orte mit befestigten Straßen. Auf der Heimfahrt zeigt sich, wie schnell ein so gigantisches System einer Stadt zusammenbrechen kann.
Ganze Straßenzüge sind einfach nicht zu sehen, es muss unglaublich viel Wasser in die Häuser fließen. Ich fühle mich wie in einer der Nachrichten mit z.B. Tom Buhro oder einem anderen Reporter der Tagesschau. Auf der durch die Stadt laufenden Autobahn steht es schlicht und einfach. Als wir die Unterführung der Autobahn erreichen verschwindet das Bild der Tagesschau und ich fühle mich mehr und mehr wie in einem Naturkatastrophenfilm. Die Unterführung, die hier einfach nur eine Kuhle unter dem Damm der Autobahn darstellt, ist voller Wasser. Wie tief es ist, zeigt sich erst, als wir es endlich schaffen auf der verstopften Straße durch dieses Wasserloch zu fahren. Zwei Autos haben es nicht durch die Wassermassen geschafft und stehen, vollbeladen mit Menschen, bis über die Räder im Wasser. Auch ein Bus und ein Tanklaster stehen davor und dahinter und scheinen offensichtlich kaputt zu sein. Der durch den einzigen Schmalen „beschwimmbaren“ Streifen entstehende Stau trägt natürlich nicht zur Entspannung der Lage bei. Motorradfahrer fahren über die - von auf die im Stau stehenden Busse wartenden Menschen verstopften - Bürgersteige und erhöhen so die Unfallrate mit Sicherheit. Und sollte es zu einem Unfall kommen, hätten die Beteiligten keine Chance auf schnelle Hilfe, da die Krankenwagen eben auch im Stau stecken, wie ich gesehen habe.
Obwohl es hier bestimmt hin und wieder mal so stark regnet, ist diese Stadt erstaunlich schlecht auf diese Situation vorbereitet. Alles bricht zusammen. Die Züge fahren auch seltener und die U-Bahnen laufen ebenso schnell voll mit Wasser, wie die Unterführungen. Also wollen alle Menschen mit dem Bus fahren. Aber das bewältigen selbst die 326 Buslinien (ich habe gezählt), von denen es sogar jeweils noch a,b und c gibt, nicht.
Soweit, so gut, an anderen Tagen läuft alles wie am Schnürchen.

 

Jetzt noch einige Eindrücke, die ich gesammelt habe und mir bei jedem einzelnen in den Hintern getreten habe, warum ich meine Kamera nicht dabei gehabt habe.

 
Es sind tatsächlich einige Unfälle passiert, Autos stehen falschherum auf der Straße. Wie um mein Chaosbild noch zu unterstreichen, sehe ich einen abgesoffenen Krankenwagen, der schon lange nicht mehr blinkt, mitten in einer Straße stehen, aber bis knapp zur Hälfte unter Wasser.

Hunde die durch die Straßen schwimmen.

Wasser, was weit über den Türschwellen der Häuser steht und deren Besitzer sich mit den Nachbarn im Wasser schwatzend unterhalten als wären ihre Hosen nicht bis zu den Knien unter Wasser.

Ein Kanu mit 4 offensichtlich quietschvergnügten Geschwistern drin, die auf der Parallelstraße schwimmen auf der vor kurzem noch Autos gefahren sind.

Ein Fahrradfahrer, bei dessen Transportmittel nur noch Lenker und Sattel aus dem Wasser schauen.

Man erkennt die Straßen nur noch daran, dass neben/in den Flüssen Häuser stehen.

Die Häuser der Villa, die am großen (mittlerweile reißenden) Fluss liegt, sind komischerweise nicht überflutet. Entweder, das Wasser hat sie noch nicht erreicht oder (was ich für wahrscheinlicher halte) es ist schon wieder abgeflossen.

Ach, schau mal, da schwimmt eine ganze Tanne den Fluss runter.

1 Kommentar:

  1. Oh Fränz, pass ja auf dich auf!
    Respekt, dass du das so tapfer durchhältst, da hab' ich hier ja echt Luxus dagegen! :-*

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