Freitag, 21. September 2012

Campamento in Baradero, Internationale Post und Día de la Primavera

Hinter dem Haus, rechts sind die Ställe

Letztes Wochenende waren wir in Baradero, im Hogar Germán Frers. In diesem Tageszentrum arbeiten Nele und Mara. Wir waren dort mit unseren Kindern vom Arcángel. Das Tageszentrum liegt abgelegen und umgeben von wunderschönen (für Buenos Aires Verhältnisse) grünen Wiesen. Das Gelände ist riesig, mit Haupthaus, Nebengebäuden, Kirche, Ställen für Schweine, Schafe, Hühner, Pferde und einen Truthahn. Es gibt Obstbäume und Nussbäume und Beete für Kräuter, Salat und Blumen. Wir waren insgesamt 97 Leute. Die alle zu verköstigen hat meistens lange gedauert und war immer ein Spektakel.
Außer zu essen haben wir noch viele Spiele gespielt, Bibelstunde gehabt, einen Gottesdienst besucht, in dem wir vier Freiwillige von allen gesegnet wurden und insgesamt viel freie zeit gehabt um uns das Gelände gründlich anzuschauen.
In Baradero habe ich mich leider wahrscheinlich bei Nele angesteckt und total fertig. Außerdem gibt es dort soooo viele Mücken... so viele Stiche hatte ich noch nie. Als wir wieder zu Hause waren ging es mir gar nicht gut. Willy hat gesagt, ich hätte ein bisschen Fieber, also bin ich am nächsten Tag nicht zur Arbeit und bin daheim geblieben um zu gesunden. Außer einem fortwährenden Schnupfen geht es mir jetzt auch wieder gut.

Im Gemüsebeet
In diesem Land Post aus dem Ausland zu erhalten ist, wie ich feststellen musste, ein Akt. Man braucht dazu einen Abholschein, den man (hoffentlich) an seiner Tür oder im Briefkasten findet und seinen Reisepass. Vorgestern hatte ich von letzterem nur die Kopie dabei, also waren wir Heute nochmal da.
Das Gebäude der Internationalen Post ist am Retiro, also von uns aus ca. eine Stunde weg.
Dort (falls man es findet) geht man in ein von außen großes Gebäude und quetscht sich in ein kleines Zimmer das voller Menschen ist. Man zieht eine Nummer und ist erst mal entsetzt. 345. Na das kann ja dauern. Zum Glück waren sie bei unserer Ankunft schon bei 313. Man wartet also eine gefühlte Stunde und geht dann zum Schalter. Dort gibt man Nummer, Abholschein und Reisepass ab und erhält einen kleinen Zettel, auf dem eine weitere Nummer steht. Das ist die Nummer des Pakets. Mit dieser Nummer setzt man sich in den angrenzenden Raum. Dieser ist wesentlich größer und noch wesentlich voller. Man wartet und verzweifelt fast, weil der Kerl durch die Sprechanlage die 6-stelligen Nummern derart schnell und nuschelig von sich gibt und man irgendwie die 305557 raushören muss. Hat man das nach einer weiteren gefühlten Stunde geschafft (Freudenschrei!), geht man durch ein Drehkreuz in ein Hinterzimmer, gibt seinen Zettel ab, nimmt sein Päckchen entgegen und unterschreibt noch irgendeinen unverständlichen Wisch. Wuhu, geschafft!
Wenn das mit allen Päckchen, auch denen aus dem Inland, so funktioniert, wüsste ich einen Grund, warum hier so wenig im Internet bestellt wird.

Das bildliche Warten
Heute war Frühlingsanfang (Día de la Primavera) und der wurde groß gefeiert. Fast alle kamen verkleidet ins Projekt und wer nicht verkleidet war, wurde geschminkt. Maibrit war eine Mumie, ich war alter Mann und Ursula (die wir mitgenommen haben, weil sie frei hatte) war eine Katze.
Tanzspiel
Es wurden Hamburger gegrillt und den ganzen Tag gab es Musik. Dann wurde getanzt und ein Tanzspiel gespielt. Alle hatten tierisch viel Spaß und das war super zu sehen. Spaß haben sie zwar sonst auch immer, aber heute konnten sie einfach mal sein, wer sie wollten.

Dienstag, 11. September 2012

Eine Alltagsbeschreibung

Da ich nun mehr oder - wahrscheinlich doch eher - weniger im Alltag angekommen bin und es nicht jeden Tag etwas interessantes zu berichten gibt, beschreibe ich hier nun mal meinen „Alltag“, mit der verbundenen Info, dass ich nicht mehr allzu oft einen Beitrag schreiben werde. Wenn etwas interessantes passiert, schreibe ich es natürlich weiterhin.

Ich komme unter der Woche entweder um 9:30 oder um 12:30 ins Projekt.
Im Turno Manjana (Morgen) sind zwischen einem und sechs Jugendliche da. Am Freitag war zum Beispiel nur einer da, also haben wir uns zusammengesetzt und Kaffe getrunken und Kekse gegessen. Die Unterhaltung habe ich relativ gut verstanden, ab und zu hat Matías mir einiges langsam erklärt. Wenn mehrere Jugendliche da sind, wird Hausaufgabenhilfe gemacht und wenn diese z.B. nur Chemie betreffen, helfe ich Isabel in der Küche.
Dann wird um 12 gegessen. Darauf folgt ein weiteres Essen, aber mit dem Turno Tarde (spät). Wenn man also noch Hunger hat, kann man ohne Probleme zweimal essen.
Mit dem Turno Tarde werden dann verschiedene Aktivitäten gemacht: Gesellschafts-/Brettspiele spielen, Basteln, Malen, Draußen toben, Hausaufgabenhilfe und Ausflüge. An unserem ersten Tag waren wir in einer Art Zoo, gestern waren wir im Club Alemán. Das ist ein riesiges Sportgelände, mit Spielplatz, riesigen Wiesen, Schwimmbecken, Sprüngtürmen, Laufbahn und Fußballtoren. Dieses Gelände wurde von einer deutschen Vereinigung „errichtet“.
Auf dem Weg dorthin sind mir mal wieder die vielen freilaufenden Hunde aufgefallen. Da hier auch keine Hunde kastriert und sterilisiert werden, wenn sie keinem gehören, vermehren sie sich munter untereinander.
So habe ich zum Beispiel einen Hund gesehen, der aussah, wie ein Fabelwesen. Der Körper weiß und mit langem Fell, ähnlich einem Pudel. Der Kopf sah aus wie von einem Pitbull oder etwas in der Art. Der Schwanz war lang und struppig, wie bei einem Collie. Und um das ganze abzurunden, waren die Beine einfach irgendwie zu kurz geraten, Dackelbeine also. Übrigens gibt es viele Hunde in der Villa, deren eines Elternteil wohl ein Dackel war. Wenn ich den Hund mal wiedersehe und eine Kamera dabeihabe, dann mache ich mal ein Foto.
Die Kinder in der Einrichtung sind eigentlich alle lieber als erwartet. Wir haben kein richtiges Problemkind, dass nur aggressiv ist und um sich schlägt. Ein Junge ist ein wenig anstrengender, weil er selten hört und gewaltbereiter ist, als die anderen aber ansonsten sind sie recht lieb. Generell sind die Kinder, wenn sie begeistert sind entweder sehr laut oder leise. Gestern haben sie mit so viel Herzblut Gesellschaftsspiele gespielt, dass ich ziemliche Kopfschmerzen bekommen habe und heute Abend sehr fertig bin. Ein andermal haben wir eine Dokumentation über die Dekadenz des Schulwesens in Amerika geschaut. Die Jugendlichen waren so gebannt, dass sie mucksmäuschenstill waren.
Wir haben außerdem noch eine 17-jährige, die ein klein wenig behindert scheint. Keiner weiß es sicher, aber ein klein wenig merkt man es doch. Sie ist ein wenig kindisch und versteht nicht alles sofort. Außerdem schielt sie, was den Eindruck noch stark unterstreicht. Aber sie ist so super lieb und in anderen Belangen wieder so erwachsen, dass die Behinderung eigentlich kaum auffällt.
Dann ist immer um 17:00 die Merienda dran. Es gibt Saft (aus Pulver und super süß) oder Tee (super süß, ebenfalls) und Kekse. Nach einem anstrengenden Tag stärken die Kekse mehr, als man eventuell denken würde. Außerdem sind sie sooooo lecker, dass man, auch, wenn man es sich anders vornimmt, tüchtig zulangt.
Die An- und Abreise dauert immer 1 ¼ Stunden. Das ist zwar lang, aber man gewöhnt sich daran und kann die Zeit prima zum Abschalten nutzen. Ich habe innerhalb von einer Woche Oliver Twist gelesen, was ja auch nicht sehr dünn ist. Man hat mal Zeit für sich, was in der WG eben einfach nicht passiert. Was – nebenbeibemerkt – auch nicht weiter schlimm ist.
Total genial ist außerdem, dass wir unten im Gemeindesaal eine ganze Bibliothek an Büchern haben, die wir uns kostenlos ausleihen dürfen (unter der Vorraussetzung natürlich, dass wir sie zurückbringen). Die Auswahl erstreckt sich von Kinderbüchern über Romane und Krimis bis hin zu alter, guter, klassischer Literatur. Es stehen fast sämtliche Werke Goethes, Kants, Shakespears, Heines, Schillers und Kleißts im Regal. Alles in dicken Bänden, die oft noch mit Gold verziert sind. Desweiteren gibt es Dante, Homer, Albert Schweizer, Darwin und Oscar Wilde. 
Obwohl sie alle prächtig aussehen und in ihrer Vielzahl um so beeindruckender erscheinen, sind sie wohl nicht mehr so viel wert. Es gibt jeden Monat einen Bücherflohmarkt, wo die Bücher für umgerechnet 2 - 6 Euro verkauft werden. Ich bin jetzt mit Oliver Twist durch, habe schon mit “Die Schatzinsel“ angefangen und freue mich darauf, die ganzen alten Schinken zu lesen, was ja bekanntlich mehr Spaß macht, wenn man dieser Sache nicht mehr in der Schule, sondern in der Freizeit nachgeht.
Abends setzen wir uns schließlich zusammen, knüpfen Bändchen und trinken Mate oder am Wochenende auch mal Wein. Gestern haben wir damit begonnen bei Mate und Keksen „Das Amulett“ von Conrad Ferdinand Meyer vorzulesen. Ich war als erste an der Reihe und finde erstens das Buch spannend und zweitens ist es super dass ich es lese, da es noch in alter deutscher Schreibweise geschrieben ist und ich sie so lerne. Damit meine ich aber nicht die alte Rechtschreibung, sondern die verschnörkelte Schriftart, in welcher das s aussieht wie ein f, das y wie ein n und das B und das V komplett gleich sind. 
An den Wochenenden haben wir bisher auch immer etwas gefunden um uns zu beschäftigen, wir gehen auf Märkte, Einkaufen oder vorgestern waren endlich mal Nico und Jakob aus Florida da. In unserem Wohnzimmer, was gleichzeitig mein Zimmer ist, kann man es sich prima gemütlich machen.
Insgesamt habe ich schon eine sehr schöne Zeit im Projekt und in der WG erlebt und bin zuversichtlich, dass noch viele schöne kommen werden.

der Eisbär, an dem wir jeden Morgen vorbeigehen

Sonntag, 2. September 2012

Adrenalinschock (Nichts für schwache Nerven!)


Ein ganz normaler Vormittag. Wir wollen Brot backen. Wir holen Töpfe und Schüsseln aus dem Schrank. Maibrit sieht eine Spinne und will sie mit einem Tuch beseitigen. Damit fängt der Schlamassel an.
Sie nimmt ein Tuch und schreit, weil sie damit eine Kakerlake zum Vorschein gebracht hat. Okay, eine Kakerlake. Nicht so super. Aber erst machen wir erst mal ein Foto davon. Ist ja immerhin unsere erste. Danach rennt sie weg. Naja, wir haben ja Raid im Schrank stehen. Und damit fängt die Scheiße (Verzeihung) richtig an.
Ich sprühe eine kleine Ladung Raid unter das Spülbecken in unserem Schrank. Okay, alles dufte, lass jetzt Brot backen.

Erste Kakerlake - Der Anfang
Gut, wir voll am wirbeln, relativ gute Laune. Auf einmal – Kreisch – rennt eine Kakerlake aus dem Schrank. Wir total aus dem Häuschen, weil die auch größer war als die erste. Raid nehmen, drauf damit. Wir denken kurze Zeit später: Gut, das machen wir NIE wieder. Die Kakerlake fängt an elendig im Kreis laufend zu verrecken (Verzeihung). Total grässlich. Ich sage mir, mit der nächsten werde ich einfach leben und ihr zur Not einen Namen geben, aber das will ich nie wieder machen.
Aufregung vorbei, wir backen weiter Brot. Dann krabbeln – KREISCH – zwei weitere auf dem Boden rum. Wir nehmen Becher und sperren sie ein. Kurze Zeit stehen nach viel Herzklopfen, Unterbrechungen und Adrenalin 8 Becher auf dem Boden. So langsam gehen uns die Becher und Gläser aus. Gut, also – das Brot mittlerweile vergessen – wohin damit? Raus! Aber draußen treffen wir auch schon auf Karin, die uns verbietet, sie auszusetzen, weil sie dann, logisch, zu ihr in die Wohnung kommen. Sie tritt einfach drauf. Bäääüüüühh...
Sie sagt, einmal alle zwei Monate sprüht sie ihre Wohnung mit Raid aus. Wir (zu dem Zeitpunkt noch nicht ahnend, was uns noch bevorsteht) nehmen uns vor, das auch mal irgendwann zu machen. Bis 13 Uhr sind noch etliche rausgekommen. Becher drauf.
Dann sind den Nachmittag alle in den Projekten.
Als Maibrit und ich um 20 Uhr nach Hause kommen, haben wir schon keine Lust in die Küche zu gehen. Wir müssen. Wir gehen einen Schritt rein, schauen um die Ecke und zucken zurück. Je länger wir hinschauen, desto mehr sehen wir auf dem krisseligen Boden. Wie bei einem Ameisenhaufen. Insgesamt liegen (ohne die noch unter den Tassen wartenden) ca. 11 in der Küche und 5 im Esszimmer. Von groß bis klein, lange Fühler, kurze Fühler, langer Kopf, runder Kopf. Alle auf dem Rücken, alle am sterben. Es ist grässlich. Wir versuchen sie aufzukehren. Immer, wenn man sie anstupst, bewegen sie sich.
So langsam sind meine Nerven so fertig, dass ich zu allem bereit bin, um sie endlich loszuwerden. Wir sammeln alle, auch die aus dem Waschbecken und die unter den Tassen auf und tun sie in eine Tüte. Die unter den Tassen sind schlimmer aufzusammeln als die unter den Gläsern, weil man da nicht weiß, was einen erwartet. So eine kleine ist ja voll okay, die kann man noch als Käfer verbuchen. Aber wenn da so ein 6 cm langes Mistviech entgegenspringt, erschreckt man sich schon ganz schön. Und die sind vielleicht schnell! Und wenn sie dann noch als Armee auftreten, in mehreren Wellen, ich glaube, das will keiner erleben. Im laufe des Abends sind dann noch ein paar rausgekommen. Gestern also insgesamt ungefähr 20 Stück.
Heute Morgen haben wir dann schon den Plan von Karin umgesetzt. Alles rausgeräumt, Raid in alle Ecken. Ich habe das gemacht, und ich bin wirklich fast erstickt. Ich habe immer am offenen Fenster Luft geholt und dann weitergesprüht. Mir gings eine Stunde lang nicht so gut danach. Alle Türen zu und ab nach Once. Schönen Tag gehabt. Schöne Sachen gesehen und gekauft und dann noch bei Janeckis Empanadas und Eis gegessen.
Das bittere Ende
Wir kommen heim und es STINKT. Alle Fenster mit Fliegengitter auf. Küche auf, Licht an. Gut, alle auf dem Rücken, kaum noch was bewegt sich. Immerhin etwas. Nachdem wir alle zusammengekehrt auf einem Kehrblech haben, mache ich ein Foto. Dann zähle ich sie. 55... FÜNFUNDFÜNFZIG!!! Hallo!? Wo zum Teufel haben die alle gewohnt? Und wovon haben sie sich ernährt? Das muss doch mega eng gewesen sein. 75 Kakerlaken auf einem Haufen! Man stell sich das mal vor! Ich fass es immer noch nicht...