Ein kalter, sonniger Sonntagmorgen. Die
Martínez-WG öffnet langsam die Augen. Es ist viertel nach 9.
Langsam wachwerden, aufstehen, Zähne putzen, Tisch decken. Um halb
10 sitzen drei deutsche Mädels am Esszimmertisch und lassen es sich
gut gehen. Mit selbst gemachtem Brot, selbst gemachtem Yoghurt, Obst
und Aufstrich starten sie in den Tag. Danach rafft sich ein
WG-Mitglied namens Ursula auf und geht in den deutschen Gottesdienst.
Fränzi skypt erst mal mit ihren Eltern
in Deutschland an dem Ort mit dem meisten Internet-Empfang. Im Flur
vor der Wohnung.
Nach Beendigung des Gottesdienstes ist
dann der geplante Ausflug nach San Telmo auf den Markt fällig. Die
Mädels sind gespannt, wie er sein wird, haben aber auch schon ein
paar Ideen. Bestimmt ist er total schön. So mit Ständen am
Straßenrand und die Verkäufer verkaufen größtenteils Quatsch.
Sie fahren mit Zug und Subte nach San
Telmo und finden nach einiger Zeit die richtige Richtung zum Markt
heraus. „Es ist ja auch eine große, verwirrende Stadt“,
rechtfertigen sie sich.
In San Telmo sieht es nicht mehr so
nach Großstadt aus. Kleinere Häuser, niedliche Restaurants,
hübschere Fenster. Sie laufen einfach los und sagen sich, sie werden
schon was finden. Nach einer Weile ruft Maibrit: „Hey, hier ist
was!“
Sie stehen vor einem unscheinbaren
Eingang. Ganz schlicht, relativ schmal und hoch. Der Eingang zu einer
riesigen Halle.
Sie gehen voller Spannung in die Halle
hinein und fühlen sich um 50 Jahre in der Zeit zurückversetzt. Es
ist ein bisschen dämmrig, aber nicht angsteinflößend dunkel, mehr
eine wohnlich-gemütliche Atmosphäre. In der Halle gibt es jede
menge kleiner Geschäfte. Jeder offene Stand hat noch einen kleinen
abgetrennten Abschnitt wie ein Laden. Sie kommen an alten
Streichholzschachtelsammlungen vorbei, an Schallplatten, Mate
Gefäßen, Services aus Silber, Silbertabletts und ganz viel anderem
antiken Krempel.
Viele Geschäfte verkaufen unter
anderem alten Schmuck. In der ganzen Halle sieht es deswegen aus, als
hätte es einige Haushaltsauflösungen von verstobenen Großmüttern
gegeben. Einige der Verkäuferinnen sehen so aus, als wäre es ihr
alter Schmuck, den sie gerne loswerden wollen.
An einem dieser Stände entdecken die
Mädchen besonders schöne Schmuckstücke. Vor allem eine kleine
silberne Ballerina-Brosche fällt Fränzi ins Auge. Sie ist sich aber
noch nicht sicher, ob sie sie kaufen soll. Es fällt ihnen auf, dass
es total schön ist, nicht unbedingt gleich das kaufen zu müssen,
was sie schön finden. Im Urlaub hat man immer nur ein paar Stunden
auf einem Markt, dann sieht man ihn nie wieder. Da die Mädels aber
ein Jahr hier leben werden und der Markt jedes Wochenende ist, gehen
sie erst mal weiter.
Irgendwann merken sie, dass sie doch
ziemlich hungrig werden. Sie suchen in der Halle etwas zu Essen, aber
dort gibt es nur teure Empanadas. Sie beschließen aus der Halle raus
in eine Nebenstraße zu gehen und dort zu schauen. Der Markt geht ja
nicht weg, sie können ja dann zurücklaufen.
Sie biegen nach rechts ab...
und können ihren Augen nicht trauen.
Sie stehen auf dem Gipfel einer breiten
Straße, die in ein Tal abfällt und dann in der Ferne wieder nach
oben ansteigt. Und diese Straße ist voller Stände und Menschen.
Stände auf Tüchern am Boden, auf Tischen, einfache Kleiderständer
und Bauchläden. Die ganze Straße ist lebendig und voller
Einheimischer, Touristen und sonstigen Besuchern.
Die drei fühlen sich wie im Himmel.
Sie merken, dass sie mit ihren WG-Mitgliedern Glück haben, denn alle
drei lieben es, Krimskrams anzuschauen, in alten Sachen zu wühlen
und hin und wieder vielleicht auch etwas zu kaufen. Auf diesem Teil
des Marktes verbringen sie noch eine Weile, dann machen sie sich auf
den Weg zurück zum Bahnhof Retiro, wo sie sich mit einer Freundin
zum Kaffee verabredet haben.
Auf dem Rückweg kommen sie nochmals an
der Halle vorbei. Fränzi merkt, dass ihr die Ballerina so sehr
gefallen hat, dass sie sie doch jetzt schon mitnehmen möchte.
Am Ende des Tages, nach dem Kaffee und
den Medialunas mit Vivi, nach der komplizierten Heimfahrt, weil die
Züge ausgefallen sind, setzen sich die drei in ihr gemütliches
Wohnzimmer, beschließen noch eine Film zu sehen, trinken dabei Mate
und gehen dann glücklich und zufrieden ins Bett.